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Das Fräulein von Scuderi

Das Fräulein von Scuderi 
 (E.T.A. Hoffmann)
Fakts:

Das Fräulein von Scuderi wurde 1819 veröffentlicht und ist ein Werk aus der Epoche der Romantik. Es wurde von E.T.A. Hoffmann, einem der bedeutendsten deutschsprachigen Romantiker seiner Zeit, verfasst.


Inhaltsangabe:

Paris 1680: Eine Reihe von Giftmorden und Juwelendiebstählen beschäftigt die
Einwohner.
Als das Fräulein von Scuderi König Ludwig XIV. davon abrät die Maßnahmen gegen eine
Diebesbande zu verschärfen, erhält sie von einem bedrohlich wirkenden jungen Mann ein
Kästchen mit Diebesgut und Danksagung.Die Mätresse des Königs erkennt die Arbeit des
Goldschmieds René Cardillac, doch dieser sagt das Fräulein von Scuderi solle es ruhig als
Dank behalten. Ein paar Monate später jedoch erscheint erneut der junge Mann und rät ihr
die Juwelen wieder zu Cardillac zurück zu bringen, ansonsten würde ihr Schlimmes
widerfahren.
Das Fräulein von Scuderi möchte es zwei Tage später zurück bringen, erfährt jedoch, als
sie davor steht, von Cardillacs Ermordung. Sein Lehrling Olivier Brusson soll der Mörder
sein, doch dessen Geliebte und Cardillacs Tochter Madelon glaubt an seine Unschuld und
überzeugt das Fräulein von Scuderi.
Sie setzt sich bei dem erbarmungslosen La Regnie dafür ein, dass Olivier ihr vorgestellt
wird und muss dann erkennen, dass es sich bei Madelons Geliebten um den
geheimnisvollen Jüngling handelt. Auch erfährt sie, dass dieser der Sohn ihrer
Pflegetochter Anne ist. Er hatte Cardillac einmal dabei beobachtet, wie er jemanden
erstochen hat, weil Cardillac seine Schmuckstücke wieder zurück haben wollte.
Aus Liebe zu Madelon hatte er geschwiegen, doch als er hörte, dass das Fräulein von
Scuderi eins seiner Schmuckstücke hatte, bekam er Angst um die Pflegemutter seiner
Mutter. Er schlich Cardillac hinterher und beobachtete dessen Ermordung durch einen
Offizier. Dieser meldete sich bald darauf bei der Scuderi und schilderte den Tathergang,
wodurch Olivier freigesprochen wurde. Er zog daraufhin mit seiner Geliebten nach Genf.

Charakterisierung

Madeleine di Scuderi (Figur der Romantik):
– wirkt trotz ihres Alters durch ihre niedliche Art und ihren Scherzen mädchenhaft
– sie hat großes Talent als Dichterin, geht damit aber sehr bescheiden um
– grundsätzlich optimistisch, aber nicht naiv
– legt Wert auf ihre Frömmigkeit und Tugend
--> Sie ist durch ihren Mut, Liebe, Schlauheit, Humor und Bescheidenheit eine ideale
Titelheldin der Romantik

La Regnie (Figur des Rationalismus):
– hartherzig, grausam, herrschsüchtig & bedrohlich
– geleitet von Neid und Menschenhass
– ausgestattet mit zu viel Macht
--> Als Rationalist ist er Scuderis größter Gegenspieler

Olivier Brusson (Figur des Sturm & Drang):
– talentiert, eindringlich und emotional veranlagt
– geheimnisvoll, um die Menschen zu schützen, die er liebt
– Selbstzerstörung und Versuch dem Abgrund zu entkommen liegen bei ihm dicht
beieinander

Madelon Cardillac (Märchenfigur):
– Personifizierte Reinheit und Unschuld --> Kontrast zu ihrem Vater
– wunderschön
– naiv (idealisiert Olivier, trotz seiner Verhaftung als Mörder)

René Cardillac:
– perfektionistischer Künstler --> Progressivität
– psychisch krank
– trotz Mordlust und Hass, empfindet er Mitleid für seine Opfer

Historischer Hintergrund/Entstehungsgeschichte:

1818 war Preußen gezeichnet von den napoleonischen Kriegen und einer politischen
Krise. Wilhelm III hatte die "Immediat-Untersuchungs-Kommission zur Überprüfung
vermeintlich demagogischer Umtriebe und hochverräterischer Verbindungen" ins Leben
gerufen, deren Ziel es war Verurteilte schon allein für systemkritisches Gedankengut zu
verurteilen. Hoffmann kritisierte diese Form der Politik.
--> La Regnie ist eine karikierende Personifikation des preußischen Rechtsstaates
--> Das Fräulein von Scuderi ist eine karikierende Person von Hoffmann selbst
Zudem hatte Hoffmann sehr viel recherchiert. Das Fräulein von Scuderi, die Mätresse des
Königs, die Chambre ardente und die Giftmorde im 17. Jahrhundert gab es wirklich.
--> durch das Wahre wirkt es sehr authentisch (s. Merkmale der Romantik)


Merkmale der Romantik im Werk:

Zeit des Sonnenkönigs: Grundstein für die Revolution und das Sehnen nach der
Vergangenheit
Vermischung von Realität und Fantasie: Geschichte geht auf wahre Ereignisse zurück
(Unterschied zwischen Fiktion und Realität nicht erkennbar)
Vermischung von unheimlichen und irrealen Tatsachen: das Gefühlsleben der
Menschen steht im Vordergrund und man öffnet sich für Mystisches und Sehnsüchtiges
Kraft von Liebe und Gefühlen: das Gefühlbetonte siegt über das Rationale, die Liebe
zwischen Madelon und Olivier, Happy End
Gesellschaftskritik: La Regnies grausames Vorgehen wird von dem Fräulein von Scuderi
kritisiert
Romantische Novelle: es zeigt zwar typische Merkmale einer Novelle, doch durch die
Rückblenden und Zeitsprünge weicht es sehr von der genormten Form ab

Aufbau:

Einleitungssatz: Ort, Zeit und Situation der Protagonistin
erster Teil: merkwürdige Vorfälle und Rätsel
zweiter Teil: Scuderi gerät mitten in das Geschehen, indem sie Kontakt zu Madelon
und Olivier aufnimmt
dritter Teil: Auflösung durch den Prozess und das Happy End
– kein chronologischer Aufbau mit vielen Rückblenden -> wirkt ungeordnet
– dramatischer und unheimlicher Einstieg gleich zu Beginn
– die Novelle endet geschlossen

Sprache & Stilmittel:

– viele Adjektive zur Trennung von Gut und Böse
– sehr viele französische Begriffe, die teils übersetzt wurden und teils nicht --> wirkt
unwillkürlich und ungeordnet (romantische Literatur)
– der Erzähler ist allwissend, lässt aber Informationen aus --> Spannung
– stark variierter Satzbau
– teilweise sehr künstlicher Sprachstil und sehr intensive Sprache, wenn es darum
geht Emotionen und düstere Bilder zu vermitteln

Interpretationen:

– Logik vs. Gefühl
– Macht und Absolutismus
– Genie und Wahnsinn

Adaptionen:

Film:
– der Erzähler gibt ein paar einleitende Worte, ist aber nicht wie in der Novelle
allgegenwärtig
– chronologischer Aufbau ohne Rückblenden
– Veränderung der Handlung: Cardillacs Vorgeschichte
> Novelle: Mord aus einer Psychose heraus
> Film; Mord aus Rache wegen eines Kindheitstraumas
– Neue Figuren: Sainte Croix (Geliebte eines Grafen), Cardillacs und Oliviers Mütter
– Veränderung der Figurenmerkmale:
> Leutnant Degrais wird zur Witzfigut degradiert, weil man nicht sehen kann wie er
die Giftmordserie aufklärt (Giftmorde kommen im Film nicht vor)
> Marquise de Maintenon: viel bösartiger als in der Novelle

Theater:
– sehr intensive Sprache & modern inszeniert
– ironische Inszenierung
– ein paar ernste Textpassagen, ansonsten überzogene Kindereien (v.a. Bzgl des
sexsüchtigen Königs)
– unterhaltsam, aber nicht originalgetreu

Ballett:
– genau wie die Novelle in drei Teile unterteilt
erster Teil: rasantes Tempo mit Ensembleszenen, Soli und Duetten
(Streicherquartett)
zweiter Teil: ruhig, abstrakter Tanz, Edelsteine werden von Frauen dargestellt,
elektronische Sounds zwischen Kammer- und Orchestermusik
dritter Teil: turbulent, temporeich, Auflösung der Geschichte durch die Erzählerin,
La Regnie ersticht am Ende die Erzählerin, die lacht
– Hoffmanns Zitat "Ein Liebhaber, der die Diebe fürchtet, ist der Liebe nicht würdig"
wird die ganze Zeit über auf eine Leinwand projiziert -->
Interpretationsmöglichkeiten
– La Regnie verfällt ebenfalls den Schmuckstücken

Link zum Film

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